Wie bitte? Ja, leider gibt es immer wieder Menschen, die, obwohl Sie von einem Gegenstand nun wirklich überhaupt keine Ahnung (zu) haben (scheinen) munter drauf los kommentieren — z.B. hier im ZEIT Online Forum. Der Kampf gegen die Dummheit hat — wie wir wissen — gerade erst begonnen. Hier ist ein weiteres Zeugnis meines kleinen und bescheidenen Beitrags:
Zitaten von “hans1066” wird der Benutzername vorangestellt, meinen Bemerkungen ebenfalls (also: “sewenz“).
hans 1066 schreibt: “Gebildete und damit uberproportional auch wohlhabende(re) Eltern geben dem Kind einfach schon unbewusst in den ersten 5 Lebensjahren mehr an Neugier, Ehrgeiz, Interesse und anderen Sozial-“skills” mit als anderen Eltern. Von der genetischen Disposition (pfui, pfui!!) ganz zu schweigen. Das ist SO!! Da hilft kein Gerede.”
sewenz: Was Sie mit dem “Gerede” meinen, ist mir nicht ganz klar; der Artikel jedenfalls widerspricht Ihrer Aussage (erst einmal) nicht — es geht letzten Endes ja um etwas Anderes. Wie auch immer: Es ist mit Sicherheit so, dass Kinder aus “bildungsfern(er)en” Familien (oder Familien unterer Schichten — nennen Sie es, wie Sie möchten) im Schnitt eine schlechtere genetische/biologische und sozioökonomische sowie kulturelle Ausstattung mitbringen bzw. mit geringerer Wahrscheinlichkeit auf eine sehr gute Ausstattung diesbezüglich zurückgreifen können (verglichen mit Kindern “bildungsnaher” Familien). Die entscheidende Frage ist (und genau darauf wurde schon in einigen Kommentaren eingegangen), ob Sie mit den aufgezählten Skills bzw. Fähigkeiten und/oder auch Ressourcen erklären können, dass bei gleichen Noten Lehrerinnen und Lehrer Kinder aus unterschiedlichen Schichten mit (sehr) unterschiedlich großer Wahrscheinlichkeit für verschiedene Schulformen empfehlen. Sie müssten also argumentieren, dass die von Ihnen aufgezählten Eigenschaften sich nicht nur in den Noten niederschlagen (diese wurden ja konstant gehalten), sondern zusätzlich eine Wirkung auf die LehrerInnen und deren Empfehlungen haben. Also: Obwohl zwei Kinder die gleichen Noten haben, nimmt der Lehrer eine höhere Neugier und/oder ein größeres Interesse an schulischen Belangen bei dem Kind der “bildungsnahen” Familie war. Ist das Ihr Vorschlag? Nun, er mag nicht falsch sein. Und ich glaube sogar, dass dies ein Teil der Überlegung eines Lehrers ist, der vor der hier diskutierten Entscheidung steht. (Und damit Teil des Mechanismus, der zu dem berichteten Befund führt.) Dass Sie sich das genau so gedacht haben, kann ich mir — bei allem Respekt — nur schwer vorstellen.
hans 1066 schreibt: “Das hat PISA ja nun ganz eindeutig gezeigt und zwar weltweit. Der schulische Erfolg korreliert zu fast 100% mit der Anzahl der Buecher im elterlichen Haushalt!”
sewenz: Ich weiß nicht, auf welche (wissenschaftliche) Publikation bzw. auf welche (seriösen) Berechnungen Sie sich beziehen. Ich vermute: auf keine. Denn erstens gibt man (lineare) Korrelationen i.d.R. auf einer Skala von -1 bis 1 an, wobei 0 “kein (linearer) Zusammenhang” und -/+1 “perfekt negativer/positiver (linearer) Zusammenhang” bedeutet. In Prozent kann dann die sogenannte “aufgeklärte Varianz” ausgedrückt werden. Zweitens macht mich stutzig, dass ich diesen unsinnigen Satz hier im ZEIT-Forum schon einmal gelesen und auch beantwortet habe. Sie haben doch nicht etwa bei rijukan abgeschrieben? Drittens ist die Korrelation von der Sie sprechen viel geringer (wenn man, was redlich ist, Individualdaten benutzt — keine wie auch immer aggregierten Daten). Auf die Schnelle habe ich nur Folgendes gefunden (ich habe tatsächlich zur Zeit keinen PISA Datensatz greifbar mit dem ich das rechnen könnte — ich hoffe Sie geben sich damit zufrieden): PISA 2006 Tabellen (Excel Datei). Aus Tabelle 4.9b entnehme ich: Die Korrelation des “Index of cultural possessions at home” (schließt u.a. klassische Literatur ein) und der naturwissenschaftlichen Kompetenz in PISA 2006 beträgt in Deutschland 0.266, in Kanada 0.192 und in Frankreich 0.382. Der OECD Durchschnitt liegt bei 0.270. Alles weit entfernt von 1. Aber ich will diese Korrelationen nicht herunterspielen — im Gegenteil: sie sind in ihrer Höhe/Stärke bemerkenswert. (In der Tabelle befindet sich tatsächlich nur die aufgeklärte Varianz. Die liegt in den zitierten Fällen bei 7.1, 3.7, 14.6 und 7.3 — die Quadratwurzel ergibt die bivariaten Korrelationen. Viertens (und ganz wichtig): Was lernen Sie denn aus einer Korrelation wie dieser? Ich sage Ihnen an dieser Stelle nur, was Sie nicht lernen: Sie lernen nichts über die wirklich interessanten Fragen in Bezug auf den Artikel, den wir hier kommentieren.
Diese interessanten Fragen sind aus meiner Sicht solche, die nach den Ursachen und/oder Mechanismen für die Entscheidung der LehrerInnen fragen. Was bringt einen Lehrer dazu, Kindern trotz gleicher Noten unterschiedliche Bildungswege zu empfehlen? Könnte man diesen Effekt (wenn man das denn politisch will) reduzieren, oder gar ganz abstellen? Würden die Kinder, die nach dem Verschwinden des Effekts auch auf das Gymnasium gingen (also die aus den bildungsfernen Schichten mit den guten Noten), dort auch “überleben”? Und und und…
Vielliecht solltest du nochmal zumRassismus-Vorwurf, der dir in Kommentar 55 gemacht wird, Stellung nehmen?
Ja, das habe ich gerade auch gedacht. Mir fehlt ein bisschen beides: Lust und Zeit. Mal sehen.
So, erst einmal habe ich hier geantwortet: “Vorurteile zählen beim Schulübergang mehr als Noten” auf “till we *)”.