On Bullshit

The German public radio station Deutschlandradio Kultur reminds us of Harry G. Frankfurt’s essay “On Bullshit” (pdf full text). The part I highlighted in my copy some years ago—that strikes me as increasingly relevant as of late—is this:

Why is there so much bullshit? […] Bullshit is unavoidable whenever circumstances require someone to talk without knowing what he is talking about. Thus the production of bullshit is stimulated whenever a person’s obligations or opportunities to speak about some topic are more excessive than his knowledge of the facts that are relevant to that topic. This discrepancy is common in public life, where people are frequently impelled–whether by their own propensities or by the demands of others–to speak extensively about matters of which they are to some degree ignorant.

The paragraph immediately thereafter seems to me at least as important as it addresses all of us instead of merely unloading the problem on them:

Closely related instances arise from the widespread conviction that it is the responsibility of a citizen in a democracy to have opinions about everything, or at least everything that pertains to the conduct of his country’s affairs. The lack of any significant connection between a person’s opinions and his apprehension of reality will be even more severe, needless to say, for someone who believes it his responsibility, as a conscientious moral agent, to evaluate events and conditions in all parts of the world.

Now, let’s get (back) to work, fellow scientists!

Reminder: “Graswurzel-Initiative” zur DGS-Wahl 2017

Josef Brüderl hat gestern in einer E-Mail noch einmal an den von ihm (mit)initiierten alternativen Vorschlag zur Wahl der DGS-Gremien erinnert. Bis zum 07.02. können DGS-Mitglieder ihre Stimme unter http://www.kfbh.de/dgs2017/ oder der personalisierten URL (siehe die Einladungs-Email) abgeben.

Wer die analytische, theorieprüfende quantitativ-empirische Soziologie stärken will, trägt bitte die Namen der folgenden Bewerber in das zur Verfügung stehende Freifeld ein:

Vorstand: Hartmut Esser, Thomas Hinz, Stefan Liebig

Konzil: Martin Abraham, Katrin Auspurg, Rolf Becker, Roger Berger, Andreas Diekmann, Frank Kalter, Peter Kriwy, Heike Trappe

Zur Begründung siehe bitte den “Offenen Brief an die DGS-Mitglieder anlässlich der DGS‐Gremienwahl 2017”.

Danke!

Offener Brief an die DGS-Mitglieder anlässlich der DGS‐Gremienwahl 2017

Im Folgenden gebe ich einen Aufruf an die Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für Soziologie wieder, der auch mich veranlasst hat, den angesprochenen offenen Brief (Download hier) zu unterschreiben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

im Januar 2017 stehen wieder DGS-Wahlen an. Die DGS hat eine Liste von Nominierungen verabschiedet. Wir (eine Gruppe von Teilnehmern des “Venedig-Seminars”) sind mit dem Verfahren nicht einverstanden und auch mit dem Ergebnis nicht.

Deshalb haben wir in einer konzertierten Aktion einige Alternativ-Nominierungen generiert. In einem offenen Brief (angehängt) werden wir die Alternativ-Nominierungen den DGS-Mitgliedern mitteilen, wodurch sich die Wahlmöglichkeiten erheblich erweitern werden. Die genaue Begründung unseres Anliegens können Sie dem offenen Brief entnehmen.

Dankenswerterweise hat der DGS-Vorstand zugestimmt, diesen offenen Brief mit der Wahlbenachrichtigung zu versenden.

Für unser Vorhaben ist es nun vorteilhaft, wenn möglichst viele DGS-Mitglieder den Brief unterzeichnen, damit deutlich wird, dass nicht nur ein paar wenige DGS-Mitglieder dahinter stehen. Wenn Sie den Brief mit Ihrer Unterzeichnung unterstützen wollen, dann senden Sie bitte bis zum 18.12.2016 20 Uhr eine E-mail an folgende Adresse: graswurzel@soziologie.uni-muenchen.de

Unterzeichnen könne allerdings nur DGS-Mitglieder. Denn nur DGS-Mitglieder besitzen das aktive und passive Wahlrecht.

Vielen Dank
Katrin Auspurg, Roger Berger, Josef Brüderl, Thomas Hinz

Und Journalisten sind doch lernfähig: Inge Kloepfer und die Privatschulen

Ein einfaches “Vorher-Nachher-Design” zeigt: Journalisten sind lernfähig. Und Journalistinnen auch. Ganz konkret scheint Frau Inge Kloepfer verstanden zu haben, dass Privatschulen den Schüler/innen nicht notwendigerweise mehr beibringen.

Was vor noch nicht allzu langer Zeit aus Kloepfers Feder einmal so klang:

Ganz falsch liegen die Eltern mit ihrer Kompetenzvermutung nicht. Helmut Klein vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft gibt ihnen weitgehend recht: “In der Hälfte der Bundesländer bringen Privatschulen im Verhältnis zu ihrer Schülerzahl mehr als doppelt so viel Abiturienten hervor wie staatliche Gymnasien und Gesamtschulen.”

Klingt heute erfrischend anders:

Die Flucht des Bildungsbürgertums vor den öffentlichen Schulen hat Folgen, die nicht nur die DIW-Forscher mit Sorge beobachten. Sie verschärft jene Selektion der Kinder und Jugendlichen aufgrund ihrer sozialen Herkunft, die schon im öffentlichen Schulsystem an der Tagesordnung ist. Dabei ist gar nicht erwiesen, dass Kinder an Privatschulen bessere Leistungen erzielen. Vergleicht man die Schülerleistungen dort mit denen der Kinder aus bildungsnahen Elternhäusern an öffentlichen Schulen, gibt es keine Unterschiede.

Obwohl dieser letzte Satz so wohl nicht stimmen wird — die absoluten Ergebnisse (messbare Kompetenzen etc.) werden auf Privatschulen sicher (deutlich) besser sein, nur hätten diese Kinder auf staatlichen Schulen kaum weniger gelernt — bleibt festzuhalten, dass Kloepfers Artikel in der FAZ ein alles in allem guter und kluger Artikel ist. Kloepfer beschreibt sehr gut die Selbstselektion bestimmter Eltern — und damit Schüler — auf die Privatschulen. Auch bemerkt Kloepfer die soziale Entmischung, die so forciert wird. Der kausale (Durchschnitts-)Effekt dieser Entmischung — auch als Effekt auf bestimmte Subgruppen (etwa: wechselnde vs bleibende Schüler) — ist dann die spannende und gesellschaftspolitisch relevante Größe. Ich bin auf diesem Gebiet kein Experte. Mich beschleicht allerdings das Gefühl, dass es hier noch einiges zu forschen gibt. Oder nicht, Herr Wößmann?

FR-Interview mit Ludger Wößmann: “Wir sind Wissenschaftler, nicht Politiker”

Man muss Ludger Wößman, Professor an der LMU und Mitarbeiter am CES und am ifo Institut in München sowie am Nationalen Bildungspanel (NEPS), dankbar sein. Für seine klaren und ehrlichen Worte. Dafür, dass er sich traut, seine wissenschaftlichen Erkenntnisse auch auszusprechen. Und dafür, dass er sich dabei eher wenig um die soziale (resp. politische Erwünschtheit) seiner Aussagen schert. Im Folgenden lesen Sie die schönsten Zitate aus einem Interview mit der Frankfurter Rundschau vom 12.11.2009 — das vollständige Interview gibt es hier.

FR: [Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium, dem Sie angehören,] fordert eine von Grund auf bessere Qualifikation der Kinder und Jugendlichen. Abi für alle?

Wößmann: Das ist natürlich illusorisch. Aber es gibt einen engen Zusammenhang zwischen dem individuellen Bildungsgrad und dem Erfolg am Arbeitsmarkt. Darum wäre mit Blick auf die Einkommensverteilung sehr viel erreicht, wenn im Schulsystem niemand mehr durchs Raster fällt. Da ist viel zu tun, wenn man bedenkt, dass heute sieben Prozent eines Jahrgangs ohne Schulabschluss, 15 Prozent ohne Berufsabschluss bleiben. Kein Jugendlicher mehr ohne Schul- und Berufsabschluss – das kann man doch als Ziel begreifen!

Aber ein Problem, das Sie im Gutachten ja auch benennen, ist doch, dass es immer noch vor allem die Kinder aus gutem Hause sind, die das Abitur machen…

Dabei gibt es viele Begabte aus bildungsfernen Schichten, die kein Abitur machen, obwohl sie das Potenzial hätten. Ziel muss sein, dass jedes Kind die Chance hat, sein volles Potenzial auszuschöpfen. Das gelingt uns leider nicht.

Der Beirat will dieses Problem auf eine Art lösen, die ihm kaum den Beifall der Konservativen einbringen wird.

Mag sein — aber wir sind Wissenschaftler, nicht Politiker. Die Mehrheit hat sich explizit dafür ausgesprochen, Kinder länger gemeinsam lernen zu lassen. Also nicht so früh — nach der vierten Klasse — auf verschiedene Schularten aufzuteilen. Mit diesem System stehen wir international ohnehin fast allein. Und es gibt zahlreiche wissenschaftliche Belege dafür, dass diese frühe Aufteilung es mit begünstigt, wenn sozial Schwache kaum höhere Bildungsabschlüsse erreichen.

Was muss der Staat tun, damit am Ende die Rendite stimmt?

Besonders groß ist die Rendite, wenn schon in Kindergarten und Grundschule angesetzt wird. Der Staat muss seine Bildungsinvestitionen anders verteilen als bisher. Was er bisher macht, ist quasi eine Umverteilung von unten nach oben. Die Kosten pro Schüler und Schuljahr sind in Hauptschule und Gymnasium zwar in etwa gleich, aber jemand, der studiert, bleibt ja viel länger im Bildungssystem als ein Hauptschüler, und seine Ausbildung kostet am Ende fast doppelt so viel Geld. Es gilt also, vor allem den sozial und ökonomisch schwächeren Schichten zu helfen, eine Qualifikation zu erreichen, die sie von den Leistungen des Sozialstaats unabhängig macht.

Sogar Privatschulen sind — mit der ökonomischen Brille betrachtet — gut für die bisherigen Bildungsverlierer. Warum?

Es geht um die private Trägerschaft. Die Niederlande machen das vor: Wenn öffentliche wie private Schulen vom Staat finanziert werden, fördert das den Wettbewerb um die besten Ideen. Das verbessert das Leistungsniveau des gesamten Systems. Davon profitieren vor allem die Kinder, die bisher keine Wahl zwischen privat und öffentlich haben. Das belegen Studien.

Strukturpolitische Fragen und Bildungsforschung

Zu grundsätzlichen strukturpolitischen Fragen, etwa der Empfehlung eines bestimmten Schulsystems, kann die Bildungsforschung keine Handlungsanweisungen geben

sagt Eckhard Klieme vom Deutschen Institut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF) in Frankfurt. Und irrt.

Was die Wissenschaft — und damit auch die Bildungsforschung — nicht beantworten kann sind Wertfragen. Die Bildungsforschung kann also nicht sagen, dass ein gerechtes Bildungssystem wünschenswerter ist, als ein ungerechtes. Das ist Aufgabe der Politik. Die Bildungsforschung kann aber ermitteln, welche Faktoren dazu beitragen, ein Bildungssystem gerechter zu machen. Und wenn bei solchen Analysen herauskommt, dass ein Bildungssystem gerechter wird, wenn man die Selektion der Schüler auf verschiedene Schulformen statt mit 10 z.B. mit 14 Jahren durchführen lässt, ist das eben ein Ergebnis, das ganz offensichtlich ein Strukturmerkmal eines Bildungssystems betrifft. Wenn dann den Politikern auch noch bekannt ist/wäre, dass ein längeres gemeinsames Lernen den intelligenten bzw. leistungsstarken Schülern nicht schaden muss, könnten diese ja — aufgrund ihrer Werthaltungen — diese wissenschaftlichen Erkenntnisse nutzen und das Bildungssystem entsprechend anpassen.

Baumert vs. Lehmann 2:1 (0:1)

Leider habe ich nicht wirklich Zeit für einen Blog-Post. Dass ein auf diesem Blog aber schon vor einiger Zeit besprochener “Fall” wieder in den Medien (namentlich bei der ZEIT und bei SPIEGEL Online) auftaucht — und das ganz in meinem Sinne — ist einen kurzen Eintrag wert. Vor über einem Jahr hatte eine Bildungsstudie aus Berlin mit dem Namen ELEMENT für Furore gesorgt. Ich hatte darüber hier gebloggt.

Zusammengefasst ging es um die Interpretation der Ergebnisse durch den Leiter der Studie, Rainer Lehmann von der HU Berlin. In mehreren Interviews gab er als Fazit der Studie an, die Berliner Grundschulen, in denen üblicherweise alle Kinder bis einschließlich Klasse 6 unterrichtet werden, versagten insofern, als der Leistungszuwachs der SchülerInnen an Grundschulen hinter dem der SchülerInnen an grundständigen Gymansien (ab Klasse 5) zurückbleibe. Zitat Lehmann:

Bei gleicher Ausgangslage lernen Schüler an Gymnasien weitaus mehr als an Grundschulen.

Wie ich bereits in meinem Blogpost deutlich gemacht hatte, gab es in den veröffentlichten Berichten der ELEMENT-Studie kein einziges Modell, dass diese (kausalen) Folgerung gestützt hätte. Schon damals hatte ich überlegt, nach den Daten zu fragen — aber möglicherweise hätte ich sie gar nicht erhalten. Tatsächlich haben Jürgen Baumert und Kollegen die Daten bekommen und reanalysiert — das Ergebnis überrascht nicht: Lehmanns Ergebnisse sind Unfug. Zusammengefasst aus dem Mund von Jürgen Baumert:

Zwischen den Frühwechslern und einer Gruppe von Grundschülern, die in allen für die Leistung wichtigen Voraussetzungen vergleichbar ist, gibt es keinen oder keinen stabil nachweisbaren Unterschied im Zuwachs der Lesekompetenz und der mathematischen Fähigkeiten.

Danke. Den zugehörigen Artikel kann man dann wohl bald (Juni-Heft) in der ZfE nachlesen. (Wer mal Propensity-Score-Matching angewandt sehen möchte, sollte den Artikel nicht verpassen, wenn ich Herrn Baumerts Äußerung im Interview mit SPIEGEL Online richtig verstehe, dass “für 1732 Frühübergänger sogenannte Zwillingspaare gebildet” wurden.)

Gesellschaft begreifen

Uwe Schimank und Nadine M. Schöneck haben bereits im Herbst letzten Jahres ein Buch mit dem Titel “Gesellschaft begreifen. Eine Einladung zur Soziologie” herausgegeben, das auch über eine eigene Internetseite verfügt, auf der die beiden Herausgeber die Autoren des Bandes interviewen. Um die einzelnen Videos zu sehen, klicke man auf die Thumbnails am rechten Bildrand.

Die meisten (nicht: alle) Interviews sind aus meiner Sicht interessant und zeigen eindrucksvoll die inhaltliche und methodische Breite der Soziologie — ob das erklärte Ziel, zukünftige Studenten für die Soziologie zu begeistern, mit diesen Videos und dem dazugehörigen Buch erreicht werden kann, vermag ich nicht zu beurteilen (insbesondere, weil ich das Buch nicht gelesen habe).

Das nationale Bildungspanel (NEPS) ist da!

Was die deutschen Medien über das NEPS berichten, findet man natürlich bei google-news in einer Übersicht. Zum Nachhören des Berichts in Campus & Karriere klicke man hier (mp3). Hans-Peter Blossfeld im Interview mit dem Inforadio rbb kann man hier hören.

Um einige — mehr oder weniger hochqualitative — Kommentare in den Diskussionsforen deutscher Medien zu würdigen, bemerke ich folgendes:

  • In Anbetracht von 3 Mrd. (=3.000 Mio) für den Teilchenbeschleuniger “Large Hadron Collider” (LHC) bei Genf erscheinen mir 60 Mio. oder 120 Mio EUR für das Bildungspanel gut angelegtes Geld. [Polemik On] Überlegen Sie sich spontan eine Antwort auf die Frage, was Ihnen wichtiger ist: zu verstehen (=wissen), warum Kinder unterschiedlicher sozialer und ethnischer Herkunft unterschiedlich oder auch gleich gut abschneiden, wie bedeutend tatsächliche Kompetenzen auf der einen und Urkunden/Zeugnisse auf der anderen Seite z.B. auf dem Arbeitsmarkt sind oder eigenartige Teilchen aufeinander zu schießen. [Polemik Off] Ich finde beides wichtig.
  • Die Mitarbeiter des NEPS sind zu den besten der Bildungsforschung zu zählen und wären auch ohne das NEPS sicher nicht ohne Job geblieben. Außerdem wird man unter diesen Mitarbeitern keinen einzigen Ethnologen finden. Es sind — in alphabetischer Reihenfolge — Ökonomen, Pädagogen, Psychologen und Soziologen, die hier quantitative empirische Forschung betreiben (werden). Wer auf der Seite des NEPS unter den Mitarbeitern einen Ethnologen findet, darf ihn behalten. Und, nein, auch Ethnologen sind keine “unnützen Akademiker”. Wobei ich ja finde, als quantitativer Sozialwissenschaftler mehr zum Verständnis der Gesellschaft beizutragen als ein Ethnologe, der sich 2 Jahre in Hoyerswerda in die Kneipe setzt — aber das beruht sicher auf Gegenseitigkeit.
  • Wer glaubt, aus der Geschichte schon genug über Bildungssysteme lernen zu können bzw. gelernt zu haben, muss sich wohl einen Historiker schimpfen lassen. Historiker sind wichtig und aus Geschichte kann man viel lernen, auch über Bildungssysteme. Nicht lernen kann man aus der Geschichte, was Kinder mit türkischem Migrationshintergrund von Kindern mit vietnamesischem Hintergrund unterscheidet, an welcher Stelle in der Bildungskarriere eines Kindes diese Unterschiede besonders stark hervortreten bzw. Wirkung zeigen. Zur Beantwortung dieser Fragen empfiehlt sich eine Panel-Studie im 21. Jh. — nennen wir sie “Bildungspanel”.
  • Sollten die am NEPS beteiligten Wissenschafter “Handlungsempfehlungen” aussprechen, können folgende Szenarien zutreffen: (a) Der entsprechende Wissenschaftler macht eine normative Aussage, sagt mithin was sein soll. Das können Wissenschaftler nicht, es gibt dafür keine wissenschaftliche Methode. Wisseschaftler sagen lediglich, was ist. Wer doch sagt, was sein soll, hört auf Wissenschaftler zu sein und wird zum Politiker oder “einfachen” Bürger dieses Landes. (b) Die Politik stellt eine Frage, in der das normative Ziel enthalten ist, z.B. “Führt eine spätere Trennung der Kinder auf verschiedene Schulformen zu geringer Bildungsungleichheit?”. Sagt der Wissenschaftler darauf, “ja, schieben Sie die Trennung nach hinten, senken Sie die Bildungsungleichheit”, ist das absolut in Ordnung.

Der kausale Effekt von Privatschulunterricht

In einem Artikel von Inge Kloepfer auf FAZ.net zur steigenden Beliebtheit von Privatschulen in Deutschland las ich eben folgendes zu den Gründen der Eltern eine Privatschule in Betracht zu ziehen:

Dahinter stehen allerdings immer die angenommene höhere Unterrichtsqualität privater Schulen und eine größere Erfolgswahrscheinlichkeit für die Kinder. Rund zwei Drittel der Deutschen meinen nach einer Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach, dass Privatschulen ihren Kindern bessere Bildungschancen eröffnen.

Soweit so gut. Diese Alltagstheorien der Menschen müssen nicht ganz falsch sein; besser ausgestattet sind die Privatschulen bestimmt und es ist auch plausibel anzunehmen, dass die LehrerInnen — im Schnitt — zu den motivierteren ihrer Zunft gehören. Leider hat aber auch Frau Kloepfer, wie die meisten Journalisten in Deutschland, offensichtlich nie ein Grundseminar in Kausalanalyse besucht — wenn man das denn überhaupt muss, um zu erkennen, dass nachstehend zitierte Argumentation nichts als Firlefanz ist:

Ganz falsch liegen die Eltern mit ihrer Kompetenzvermutung nicht. Helmut Klein vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft gibt ihnen weitgehend recht: “In der Hälfte der Bundesländer bringen Privatschulen im Verhältnis zu ihrer Schülerzahl mehr als doppelt so viel Abiturienten hervor wie staatliche Gymnasien und Gesamtschulen.”

Aua. Das tut weh. Schön ist, dass man Frau Kloepfer in Ihren eigenen Worten erklären kann, was sie nicht versteht. Sie schreibt, dass…

Über die Qualität staatlicher Bildungsangebote in den bildungsbewussten Mittel- und Oberschichten längst mit den Füßen abgestimmt [wird].

So ist das. Und jetzt raten Sie mal, wie hoch die Abiturientenquote unter Kindern solcher Eltern an staatlichen Schulen ist. Und wenn Sie schon dabei sind, raten Sie doch auch noch die Veränderung in der Differenz zwischen privaten und staatlichen Schulen bei ausschließlicher Berücksichtigung der Kinder aus “bildungsbewussten Mittel- und Oberschichten”. Richtig geraten: sie wird viel kleiner sein. Ich bestreite nicht, dass sie möglicherweise noch da ist und man mit dieser Differenz dann wohl schon sehr nah an den wahren Qualitätsvorsprung im Sinne eines kausalen Effekts der privaten Schulen auf den schulischen Erfolg eines Kindes herankommt. Aber bitte, liebe Frau Kloepfer, liebe Journalisten in Deutschlands “Qualitätszeitungen”, gewöhnen Sie sich doch solch falsche bzw. unzulässige Vergleiche ab. Danke.

Die Presse zum (angekündigten) Start des NEPS

Das Presseecho auf die Ankündigung des NEPS des war nicht so berauschend — das NEPS stand (zu Unrecht) im Schatten des Bildungsgipfels: 5800 Hits in der Google News Suche für “Bildungsgipfel”, nur 28 für “Nationales Bildungspanel”.

Ein Interview mit Hans-Peter Blossfeld gab es im Deutschlandfunk. Es ist auf dradio.de nachzulesen und nachzuhören. Im Tagesspeiegel erschien ein etwas längerer Artikel.

WZBrief Bildung

Das WZB gibt ab sofort in unregelmäßigen Abständen einen Rundbrief zum Thema Bildung heraus. Dazu liest man auf der Website des WZB:

Der „WZBrief Bildung“ informiert aktuell, kompakt und verständlich über ein Thema aus der Bildungsforschung. Er erscheint mehrmals im Jahr in elektronischer Form.

Er richtet sich in erster Linie an Experten und interessierte Laien in Politik, Schulen, Verbänden und Medien. Autoren des „WZBrief Bildung“ sind die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am WZB, die zu Fragen von Bildung und Ausbildung im Lebensverlauf und den Übergängen zwischen Bildungsinstitutionen und Arbeitsmarkt forschen, insbesondere aus der Abteilung > „Ausbildung und Arbeitsmarkt“ sowie der Projektgruppe > „Education and Transitions into the Labour Market“

Mal sehen, was er bringt, der neue WZBrief.

Pressekonferenz Nationales Bildungspanel

Für kommenden Montag (20.10.08) von 11:00 Uhr bis 13:00 Uhr ist eine Pressekonferenz angekündigt (Link zum idw), auf der das Nationale Bildungspanel (National Education Panel Survey, kurz: NEPS) vorgestellt werden wird. Ob die Pressekonferenz im Fernsehen (oder Radio) übertragen wird, kann ich noch nicht absehen. Auf Phoenix läuft von 11:00 Uhr bis 13:30 Uhr die Sendung “vor Ort”. Im Rahmen dieses Sendeformats wäre eine Übertragung denkbar — die Website von Phoenix nennt die Pressekonferenz allerdings nicht. Ich habe bereits per E-Mail angefragt.

Ein letzter Versuch des “Rassisten” und “Sozialfaschisten”

Nachdem ich hier erfahren durfte, dass ich nicht nur “Rassist”, sondern auch “Sozialfaschist” bin, habe ich mich durchgerungen, noch einen letzten Kommentar zu posten. Hier ist er:

Hören Sie QUOTE,

eine Diskussion lebt vom Dialog. Wenn Sie andere Diskutanten ansprechen bzw. Ihnen (starke) Vorwürfe machen, sollten Sie sich auch die Zeit nehmen, deren Antworten zu lesen. Sollten Sie das tatsächlich mit meiner Antwort (klicken Sie hier für eben diese Antwort) getan haben, ist mir schleierhaft wieso Sie Folgendes schreiben:

“Hier wird eindeutig mit Genetik als unausweichlichem Schicksal argumentiert.” (QUOTE in Post #157)

Falsch. Ich habe das an keiner Stelle getan und würde es nie tun — denn es ist wissenschaftlich nicht haltbar. Ich erkenne lediglich an, dass es eine genetisch/biologische Grundlage gewisser (Persönlichkeits-)Eigenschaften gibt. Die Intelligenz gehört nach Meinung der meisten WissenschaftlerInnen zu den Eigenschaften, die zu einem Teil der Biologie/den Genen (Nature) und zu einem anderen Teil der Umwelt/Sozialisation (Nurture) geschuldet sind. Es handelt sich also nicht um ein unveränderliches Merkmal und damit folgt auch kein — in Ihren Worten — “unausweichliches Schicksal”. Und genau das ist meine Position.

Eine letzte Bemerkung: Das Aufteilen der Intelligenz in einen genetischen und einen umweltbedingten Anteil ist ohnehin problematisch, weil es sich um ein komplexes Wechselspiel — eine Interaktion — handelt. Auch das hatte ich in meiner Antwort geschrieben.

Da Sie sich ja für das Thema zu interessieren scheinen, erlauben Sie mir drei “Literaturhinweise” (vielleicht kennen Sie das ja alles bereits):
1. Der Artikel der deutschen Wikipedia ist durchaus ein guter Start (klicken Sie hier für “Intelligenz” auf Wikipedia).
2. Das Buch “Was ist Intelligenz?” von Joachim Funke und Bianca Vaterrodt-Plünnecke gibt ebenfalls einen guten Überblick über den — jetzt schon etwas veralteten (neueste Auflage aus dem Jahr 2004) — Forschungsstand (klicken Sie hier für die Beschreibung des Buches auf der Seite des C.H.Beck Verlages).
3. Schauen Sie sich mal diese Folien (auch auf deutsch) von James Heckman an. Heckman zeigt in dieser Präsentation sehr schön, wie beeinflussbar Intelligenz ist — vornehmlich in jungen Jahren (sehen Sie sich mal Folie 16 an). Mit den hochqualitativsten Daten, die es in der Wissenschaft gibt — experimentellen Daten (aus dem Perry Preschool Project)!